Geschichte
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Abwassergemeinschaft Avendshausen GbRAGA_LoGO2

Was ist eine Abwassergemeinschaft, wie sie entstand und wie funktioniert sie ? 
Sind Sie neugierig ?   Dann lesen Sie !


Als in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts die gesetzlichen Anforderungen an die Reinhaltung der öffentlichen Gewässer stiegen und der Anschlußzwang an die zentralen Kläranlagen der größeren Ortschaften und Städte auch auf das flache, weniger stark besiedelte Land übergriff, waren, um die enorm steigenden Kosten in den Griff zu bekommen neue Überlegungen notwendig.
  
Um das Jahr 1994 waren in Niedersachsen ca. 87% der 7,4 Mill. Einwohner des zweitgrößten Bundeslandes an eine Sammelkanalisation und somit an eine kommunale Kläranlage angeschlossen. Der Rest der Bevölkerung reinigte das Wasser durch Kleinkläranlagen mit und ohne biologischer Nachreinigung. Bei einer Erhebung im Jahre 1992 durch das Nds. Umweltministerium zeigte sich, daß die herkömmlichen Kleinkläranlagen (Dreikammergruben) die schlechtesten Ablaufwerte hatten. Als Ursache für die schlechten Ablaufwerte wurden Überlastung und mangelnde Wartung angenommen.
   
Aus Kenntnis dieser Lage waren Kleinkläranlagen nur als Übergangslösung angesehen und die abwasserbeseitigungpflichtigen Gemeinden schlossen weiterhin, wie bisher alle umliegenden Dörfer und Siedlungen an Ihre zentralen Kläranlagen an. Das System der zentralen Abwasserreinigung war und ist aber mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden. Der kostenträchtigste Teil dabei war die Kanalisation, welche die Sammlung des Abwassers ermöglicht. Aus einem Protokoll der Landtagssitzung in Hannover vom 7.12.1994 geht hervor, daß z.B. der Anschluß von 3400 E aus 13 Dörfern ( im flachen norddeutschen Raum) mehr als 17500,- DM/E kosten sollte. In Einzelfällen waren Anschlußkosten von 60 000,- und sogar 100 000,- DM für ein Grundstück bekannt, auch in den Einbecker Dörfern.
 
Aus diesem Grund hatte es im Einbecker Rat Überlegungen gegeben für einige Dörfer belüftete oder unbelüftete Teichkläranlagen zu bauen, dieses Vorhaben aber wegen der Befürchtungen einer Geruchsbelästigung wieder fallen lassen. Bürgerintiativen, wie auch der Dezentrale Abwasserverband Bergdörfer, gründeten sich und forderten über neue Lösungswege nachzudenken. Auch der Ortsrat Vardeilsen/Avendshausen hatte sich weitergebildet und im Dez. 1994 einen Antrag auf Selbstständigkeit an den Rat der Stadt Einbeck gerichtet, doch keine Antwort erhalten. Gleichzeitig hatten sich die verschiedenen Kleinkläranlagen, besonders die Pflanzenkläranlagen, weiterentwickelt. Der vertikal durchströmte Bodenfilter hatte sich als bestes Prinzip durchgesetzt.
  
Im Oktober 1995 wurde das Nds. Wassergesetz dahingehend geändert, daß Gemeinden die Möglichkeit erhielten durch Satzung für bestimmte Teile des Gemeindegebietes vorzuschreiben, daß die Nutzungsberechtigten der Grundstücke häusliches Abwasser durch Kleinkläranlagen zu beseitigen haben. 
  
Nach fast 2-jähriger Diskussion im Dorf und mit dem neuen reformierten niedersächsischen Wassergesetz im Rücken und dem Wissen über die neuesten Entwicklungen auf dem Kleinkläranlagenmarkt hatte das Avendshäuser "Abwasserteam" sich bei einem Notar eine Gesellschaftsvertrag entwerfen lassen um die Abwasserreinigung selbst durchführen zu können.
 
Mit einer schriftlichen Einladung und dem Vertragsentwurf wurden mit Datum vom 16.1.1996 alle Avendshäuser Grundstückseigentümer zur Aussprache und Gesellschaftsgründung eingeladen. Und es kam der Tag, an einem bitterkalten Freitag, den 26. Jan. 1996 trafen sich im hiesigen Gemeinderaum, unter anderen, 26 Grundstückseigentümer, die für 28 Grundstücke sprechen durften.
 
Als Einleitung zum Thema dezentrale Abwasserreinigung wurde ein Lichtbildervortrag über Abwasserreinigung in grundstücksbezogenen- und Gemeinschaftsanlagen gezeigt Hierbei wurde deutlich welche finanziellen Vorteile gemeinsam betriebene Anlagen haben. Bei der anschließenden Aussprache über die verschiedenen Möglichkeiten der grundstücksbezogenen Kleinkläranlagen wurden die Funktionsweise von Tropfkörperanlagen sowie der vertikal und horizontal durchflossenen Schilfbeete erläutert. Nachdem die technischen Details geklärt waren, wurde über die Gründung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) abgestimmt. Bei 2 Enthaltungen und keiner Gegenstimme wurde die Gründung der Abwassergemeinschaft Avendshausen GbR beschlossen."
  
Die Gründung der Gesellschaft war aber nur der Anfang, im Jahr 1996 fanden in Avendshausen 3 außerordentliche Gesellschaftsversammlungen, 5 Vorstandssitzungen und 6 Arbeitssitzungen statt um das Ziel der ökologischen, sicheren und sozialen Abwasserreinigung - wie es der damalige Aussschußvorsitzende der Stadtentwässerung Einbeck einmal forderte - zu erreichen.
  
Ein Gutachten hatte inzwischen den Anschluß an die zentrale Kläranlage in Einbeck mit 1,55 Millionen DM beziffert, eine Ortskläranlage hätte 1,05 Millionen DM kosten sollen und Einzelanlagen, für jedes Grundstück eine eigene biologische Reinigungsstufe, waren mit 569 000,- DM beziffert worden. Eigene Berechnungen der AGA sich in Gruppen zusammen zu finden wurden mit 239 000,- DM berechnet. Spezifische Investitionskosten also keine 11 200,-DM sondern nur 1 780,-DM
 
Eine große Hilfe auf dem Weg, bis zur Entscheidung durch den Einbecker Rat, war der Herr Professor Löffler aus Dresden, dessen patentiertes, leistungsgarantierte und TÜV- abgenommene System der Phyofilt-Pflanzenkläranlagen hier im Ort Anwendung fand. Das Besondere daran ist, das es sich um zweistufige Anlagen handelt, die eine viel weitergehende Reinigung des Schmutzwassers ermöglichen als vergleichbare einstufige Anlagen dieses können. Auch werden damit die hygienischen Grenzwerte der EU-Badegewässerrichtlinie unterboten, die eine Wieder- oder Weiterverwendung problemlos möglich machen. Somit waren die Grundlagen für den "Kleinen Wasserkreislauf" perfekt. 
  
Das zuvor angesprochene ökologische Ziel wurde erreicht durch den Bau naturnaher Systeme von Pflanzenkläranlagen mit der Möglichkeit der Versickerung des gereinigten Wassers in Biotopen, der Wiedernutzung des gereinigten Wassers und die Einbindung der Regenwasser-versickerung. Viele Grundstückseigentümer praktizieren das, was wiederum durch die Expo gewürdigt wurde. Der Grundgedanke dieses "kleinen Wasserkreislaufes" stammte von Prof. Glücklich aus Hamburg. Die Sicherheit zeigt sich in der Qualität des in Avendshausen durch die Pflanzenkläranlagen gereinigten Abwassers, welche sich durch den niedrigen CSB-Werte von durchschnittlich 26,4 mg/l (Durchschnitt aus 12 Betriebsjahren) und durch eine zufriedene Aufsichtsbehörde des Landkreises Northeim ausdrückt.
  
Das dieses System auch sozial ist, beweist die Tatsache, daß kein Avendshäuser Grundstückseigentümer damals mehr als 9000,- DM ausgeben brauchte (Die durchschnittlichen Ausgaben pro Grundstück lagen bei genau 8726,-DM) und der heutige durchschnittliche Abwasserpreis im Jahre 2010 liegt bei 0,66 € pro Kubikmeter. 
  
Eine eigene Bewertung für das hier Geschaffene soll an dieser Stelle nicht vorgenommen werden. Nur einige Beurteiligungen aus vielen geschriebenen Diplom- Instituts- und Facharbeiten, Zeitungsberichten, dem Filmbeitrag des NDR und der Live-Sendung des Deutschlandfunks über das Avendshäuser Abwasserreinigungssystem sollen herausgegriffen und zitiert werden. Eine Schülerin schrieb in ihrer Facharbeit Erdkunde: "Nachdem ich mich über die Vor- und Nachteile der Kleinkläranlagen informiert und Tabellen ausgewertet habe, komme ich zu dem Entschluss, dass diese Art Abwasserreinigung und Verwertung eine der wohl sinnvollsten sein muss .... Abschließend kann gesagt werden, dass dieses Prinzip nehezu perfekt ist und dem natürlichen Vorkommen der Ressource Wasser eine große Unterstützung ist." 
Das Resümee der 1 ½ stündigen Live-Rundfunksendung des Deutschlandfunks aus Köln am 28. Mai 2009 in Avendshausen, bei der 5 Experten über dezentrale Abwasserreinigung diskutierten war: „Avendshausen kann mit Gruppen-Kleinkläranlagen aufwarten und das bei besten Ergebnissen bezogen auf die erreichte Reinwasserqualität sowie die dafür erforderlichen Kosten“.
 
Noch eine Aussage von den vielen Besuchergruppen die sich hier in den letzten Jahren informierten soll zitiert werden, aus Bad Bibra: „Und der Natur geht es dabei gut! Die kleinen Anlagen mit ihren Schilfbeeten nach dem Prinzip von Prof. Löffler klären mindestens genau so gut wie die großen, sind mitunter sogar besser (z. B. bei den Coli-Bakterien)!“
  
Eine durchaus erfolgreiche Gemeinschaft von Bürgern in Avendshausen also die mit Stolz auf 12 Jahre Abwasserreinigung zurückblicken kann, der es gelungen ist die Baukosten der ursprünglich geplanten zentralen Abwasserentsorgung nach Einbeck auf weniger als 1/5 zu senken und die Betriebskosten äußerst gering zu halten.